In jeder Interaktion mit einem Mitmenschen erweist es sich als wertvoll und hilfreich, diese Persönlichkeit genau wahrnehmen zu können. Die Wahrnehmung kann über das Sehen und Hören weit hinausgehen, sofern die Dimension der Gefühle mit einbezogen wird. Gemeint ist hier die direkte Wahrnehmung der von deinem Gegenüber ausgehenden Gefühle.
Vertrauen wir unserer Intuition, verfügen wir über einen sehr verlässlichen Gefühlsradar, der eine direkte Gefühlswahrnehmung ermöglicht. Im Anschluss an Bert Hellinger lassen sich die Gefühle in verschiedene Kategorien unterscheiden, die die Wahrnehmung der Gefühle sehr sinnvoll leiten kann. Diese vier Kategorien sind:
- Primäre Gefühle
- Sekundäre Gefühle
- Fremdgefühle
- Gefühle des Seins
Primäre Gefühle
Ein Primärgefühl zeigt sich als der Impuls bzw. als das Gefühl, das in einer Situation zuallererst in dir entsteht. Es ist deine unmittelbare und unverfälschte Antwort auf das, was sich gerade situativ zeigt und damit auch eine Antwort auf dein Gegenüber. Deinem Intuitiven Selbst als inneres Wissen unmittelbar entsprungen, lässt es sich weder analysieren noch erklären, es lässt sich nur erfahren. Als Ausdruck deiner inneren Weisheit hat es somit die Qualität von Wahrhaftigkeit.
Primärgefühle erzeugen inneren Einklang, unabhängig davon, ob es sich dabei um positive oder um negative Gefühle handelt. Aufwallende Liebe, Freude, Empörung, Zorn, Trauer/Traurigkeit sind dann Primärgefühle, sofern sie aus dem tiefen Inneren aufsteigen und im gegenwärtigen Moment einen Menschen ganz und gar erfüllen. Ihre Echtheit wirkt heilend und oftmals kann im Zuge dieses Gefühls innere Klarheit entstehen. Die Eindeutigkeit eines Primärgefühls erzeugt maßgeblich die Wahrnehmung von Echtheit einer Persönlichkeit. Die Aufrichtigkeit des Gefühls bei meinem Gegenüber, bringt mir die Person näher, selbst in ihrer Wut oder in ihrer Empörung. Ich erlebe meinen Mitmenschen als authentisch. – Primäre Gefühle sind kraftvoll und damit „ansteckend“.
Sekundäre Gefühle
Sekundärgefühle haben viel mit dem inneren Anspruch an sozial erwünschtes Verhalten gemein. Das Bevorzugen, Vorgeben bzw. Vorschieben sekundärer Gefühle geschieht also deshalb, weil die Annahme besteht, dass das ursprüngliche Primärgefühl nur wenig Akzeptanz findet.
Sich traurig zu fühlen ist eine Sache, die Traurigkeit auch zum Ausdruck zu bringen, eine ganz andere! Aus Angst davor, dieses intensive Gefühl in diesem Augenblick zu erlauben, wird unversehens ein Ausweichmodus gefunden, entweder als Fröhlichkeit oder als Wut. Dieser Sekundärmodus funktioniert auch andersherum: Sich das Gefühl der Wut zu versagen, kann sich in Traurigkeit ausdrücken.
Die klare, direkte und ordnende Kraft eines Primärgefühls fehlt! Somit ist das wahrgenommene Sekündärgefühl eine „Mogelpackung“, die das wahrhaftige Gefühl ummanteln soll, das allerdings immer mitschwingt. Die Ausrichtung auf die Wirkung und damit auf die Reaktion des Umfelds ist mehr oder minder für die Mitmenschen wahrnehmbar. Das Künstliche, das zur Schau gestellte Gefühl wirkt somit spürbar manipulativ auf das Umfeld. Sekundäre Gefühle bewirken daher einen Widerstand.
Widerstandsreaktionen können unterschiedliche Ausrichtungen annehmen: z.B. in Gestalt von Ermüdung, Langeweile oder Überdruss. Zudem kann der Impuls hilfreich sein zu müssen entstehen und sich gleichzeitig damit überfordert zu fühlen, da es keine Handhabe zu geben scheint. Sogar Schuldgefühle entstehen in dieser Reaktionsausrichtung. Eine andere Wirkung kann sich Ärger, Ungeduld oder Irritation ausdrücken. Infolgedessen werden durch ein Sekundärgefühl Verwirrung, Hektik oder Unruhe in eine Situation getragen.
Der selbstinszenatorische Aspekt von sekundären Gefühlen lässt diese leichter als solche erkennen. Die Drama Queen zeigt ebenso deutlich das unechte Gefühl wie der Pausenclown. Die Überschwenglichkeit des gezeigten Gefühls wirkt trennend.
©Felicitas Waltemath 2018 | intrapersonale®