Eine, die Menschheit seit eh und je bewegende Frage lautet in ihrem Kern:
„Wo kommen wir her und wo gehen wir hin?“
Sich den möglichen Antworten auf diese Frage zu nähern, nahm vielfältige Formen und Wege an. Sehr vereinfacht dargestellt, haben sich zwei Denkwelten gebildet, die materialistische und die geistige.
Nachdem es dem dogmatischen und Angst schürenden „christlichen“ Klerus über viele Jahrhunderte gelang, das eigenständige Denken im Okzident totalitär weitgehend zu unterdrücken, sollte die „Aufklärung“ die 180°-Wende vollziehen. Doch letztlich ist auch die materialistische Denkwelt in ihren Paradigmen gefangen, v.a. wenn es darum geht, die geistigen Annäherungen an die Antwort auf die Frage nach dem WOHER und WOHIN als gleichberechtigt gültig anzusehen.
Von jeher gab es auch Jene, die zwischen diesen Welten wanderten und sich im Denkraum des Sowohl-als-auch bewegen – offen, wissensfreudig und wertschätzend.
Die Christianisierung in der heute sogenannten „westlichen Welt“, das Jahrhunderte währende Politische Christentum sowie das in dieser Intention instrumentalisierte Buch „Die Heilige Schrift“ haben das Misstrauen und die Ablehnung des Unsichtbar-Unfassbaren tief in das kollektive Bewusstsein verankert.
Der Begriff GOTT ist nach meinem Dafürhalten der am meisten missbrauchte, den sich die Menschheit konstruiert hat. All jene Bedeutungszuschreibungen für GOTT, die dem gesunden Menschenverstand per Definition Fesseln anlegen, bestätigen die Perspektive der materialistischen Denkwelt in einemfort.
Die äußeren Ränder der weltanschaulichen Denkpolarität finden wir wohl einerseits im atheistisch-existentialistischen Pol und im religiös-fundamentalistischen Pol andererseits. Diese Polarität der Wahrnehmung, der Überzeugungen und daraus resultierenden Lebensweisen ist soweit gespannt, dass sie alles in sich einschließt, was denkbar ist.
Im Naturell der Menschheit liegt der innere Antrieb, die Wahrheit über das SEIN, das WOHER und das WOHIN zu finden.
Die Philosophie hat diesen Antrieb seit den Vorsokratikern als ihren Nukleus bestimmt. Und auch in dieser geisteswissenschaftlichen Disziplin ist die jeweilige Auseinandersetzung mit diesen Denkgegenständen mehr oder minder bewusst gesteuert durch Überzeugungen, sprachliche Denkwelten, Wahrnehmungen und last but not least durch individuelle Egobestrebungen.
Einer meiner Universitätsdozenten sagte: „Die Wahrheit lässt sich nicht verkünden, sie lässt sich nur bedenken.“ Diese existenzialistisch geprägte Wahrnehmung ist innerhalb des Denksystems, dem sie entspringt, zweifelsfrei und schlüssig zu erörtern, zu begründen und zu „beweisen“. Und was sich in Bezug auf DIE WAHRHEIT außerhalb dieser Denkwelt befindet, wird als religiös, spirituell oder sogar als „esoterischer Schnickschnack“ etikettiert und somit in die Schublade unrealistisch sortiert. Im Sinne von, was nicht bewiesen werden kann, mag zwar gedankliche Hypothesen erlauben, für die materialistische Sicht auf Welt sind diese allerdings außerhalb ihrer Definition von Wirklichkeit zu verorten.
Die Evolution des Denkens ist offenkundig vorangeschritten und gegenwärtige Selbstverständlichkeiten, die einst Teufelswerk, Gotteslästerung und Hexenwerk waren, haben den Raum der Denkmöglichkeiten weiter geöffnet. Alle technologischen Errungenschaften sowie der Stand des Wissens über soziale und psychische Phänomene geben dem menschlichen Verstand so viele Herausforderungen und Beschäftigungen, dass sich das eigentliche SELBST darunter nur noch selten erkennen lässt.
Die Identifikation mit dem Verstand im descartes‘schen Sinne: „cogito ergo sum“ – ich denke, also bin ich – zieht relativ eindeutige Grenzen, da dem Verstand die Hauptrolle im menschlichen Dasein gegeben wird. Dem Denken wird so die höchste Priorität zugesprochen und folgerichtig aus dieser Perspektive als ICH definiert. Körper, Gefühle, Triebe, Bedürfnisse gehören zwar „irgendwie“ dazu, doch ohne identisch mit dem ICH zu sein. (Descartes formulierte einen elementar wichtigen Ansatz, den er meines Erachtens allerdings nicht sehr viel weiter entfaltete.) Die Materialisten würden dem entgegenhalten, dass die „Körperchemie“ das Denken und Handeln bestimmt, was sie anhand der bildgebenden Verfahren auch „beweisen“ könnten.
WAS ist das ICH? WORAUS und/oder WODURCH bildet sich das ICH?
WOHER?! WOHIN?! WAHRHEIT?! SEIN?! ICH?! WIRKLICHKEIT?!
Wie hängt all das miteinander zusammen und was kann es für meine gegenwärtige Existenz bedeuten? Welchen Nutzen habe ich dadurch, mehr Klarheit hinsichtlich dieser Zusammenhänge zu gewinnen?
Weisheitslehren wurden und werden von Wahrheitssuchenden gebildet, denen es gelungen ist, die WAHRHEIT zu ERKENNEN. Es ist die SCHAU, die bereits Platon in seiner „Ideenlehre“ zum Denkgegenstand machte und die sich im „Deutschen Idealismus“ in neuen Gewändern wiederfindet. Der Nukleus findet sich bereits in den Veden, in den Weltreligionen und selbst in der Quantenphysik wieder. In jedem dieser Denkterritorien gestaltet sich das „Drumherum“ anders und umfasst meistens sogar mehr oder minder dogmatische Verhaltensregeln und –anweisungen für den Lebensalltag.
Sich selbst zu erlauben, das ganze „Drumherum“ abzuschälen wie die Schichten eine Zwiebel, ermöglicht, den zarten und glänzenden Kern zu entdecken.
In dieser Welt zu existieren, geht stets einher mit Konstrukten, also Denksystemen und Überzeugungen, die die eigenen Wahrnehmungen bestimmen. Sich dessen bewusst zu werden und auch möglichst oft zu sein, öffnet das eigene Denken. Dieser Logik folgend, sind auch diese Ausführungen für den Verstand verarbeitbare Konstrukte, die der Antwort auf die Fragen „WOHER kommen wir?“ und „WOHIN gehen wir?“ sowie „WAS ist die WAHRHEIT?“ möglichst nahe kommen wollen.
Eine erste, in diesem Sinne bedeutsame Annäherung erfolgt über das Themenfeld der Wahrnehmung.
©Felicitas Waltemath 2017 | intrapersonale